Merz-Niederlage bei Kanzlerwahl:Wirtschaftswende vorerst verschoben
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Im ersten Wahlgang ist Friedrich Merz durchgefallen. Die Enttäuschung in der Wirtschaft ist riesig - der Dax schmiert unmittelbar wieder ab.
Bleibt der erhoffte Aufschwung in der Wirtschaft nun aus?
Quelle: dpa
Kalt erwischt ist wohl auch und gerade für die Wirtschaft der richtige Ausdruck für die vorerst gescheiterte Kanzlerwahl von Friedrich Merz. Nach wochenlangen Verhandlungen hatte man sich in Deutschlands Unternehmen viel vom Neustart in Berlin erhofft. Auch wenn es eher eine Zwangsehe zwischen SPD und Union war und der Koalitionsvertrag auch viel Kritik erntete, so lag doch ein Hauch von Optimismus über Deutschlands Wirtschaft.
Dax schmiert ab
Die Ernüchterung ist nach dem Fiasko im Bundestag deutlich spürbar. Ganz besonders daran zu erkennen, dass Deutschlands wichtigstes Börsenbarometer Dax sofort nach dem gescheiterten ersten Wahlgang deutlich einknickte. Eigentlich wollte man sich auf Frankfurts Parkett auf zu neuen Rekordhöhen machen. Aber stattdessen ging es bei den Kursen tief ins Minus. Besonders unter Druck: die Werte aus der Rüstungsindustrie, die ja ganz besonders von den Maßnahmen der neuen Regierung profitieren.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sagt deshalb: "Die Wahlniederlage von Merz unterstreicht, wie weit Union und SPD politisch voneinander entfernt sind und dass der Koalitionsvertrag bei zahlreichen Abgeordneten auf tiefe Ablehnung stößt." Außerdem kritisiert er:
Der Koalitionsvertrag enthält ungewöhnlich wenige verbindliche Absprachen und lässt viele der großen Themen - von Steuerreform über Rentenreform bis hin zur Migration - offen.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
Was wird aus den Strukturreformen?
Was heute in Berlin passiert ist, zeigt, wie schwierig es auch für diese Koalition wird. Die dringend benötigten Strukturreformen scheinen jetzt schon in weite Ferne zu rücken. So sieht das auch Jens Südekum, SPD-Mitglied und Professor für internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf:
Dass Merz nun im ersten Wahlgang gescheitert ist, sendet ein verheerendes Signal in die Gesellschaft und in die Wirtschaft: Die Reihen sind nicht geschlossen.
Jens Südekum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Auch in Zukunft müsse mit Querschüssen gerechnet werden, wenn es um heikle Themen geht. "Dabei brauchen der Wirtschaftsstandort und das gesamte Land vor allem eines - eine stabile Regierung, die planbare Politik betreibt."
Jungunternehmer fordern "verlässliche Führung"
Es ist wohl ein Vorgeschmack auf das, was die neue Bundesregierung erwartet. Innerlich nicht an einem Strang ziehend, zudem Druck von außen durch knappe Mehrheitsverhältnisse. Ein Ruck für die Wirtschaft sieht anders aus.
Der Verband der jungen Unternehmer kritisiert das Abstimmungsverhalten der Koalitionäre und fordert deshalb: "In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, wachsender Bürokratie, internationaler Standortkonkurrenz, sowie internationaler Kriege und Konflikte braucht Deutschland eine verlässliche Führung." Parteipolitische Ränkespiele gefährdeten "den Wohlstand unseres Landes, mehren die Politikverdrossenheit und sind Wasser auf die Mühlen der Extremisten im Land".
Deutschlands Bild im Ausland weiter schwach
Eines ist in jedem Fall klar. Auch wenn Merz am Ende zum Kanzler gewählt wird, er hat mehr als ein paar Kratzer abbekommen und das hat auch Folgen im Ausland: "Statt notwendiger Stärke zeigt Deutschland einmal mehr Schwäche. Für künftige Verhandlungen mit den USA und im Ukraine-Konflikt sind das schlechte Vorzeichen. Deutschland wird international noch lange aus einer Position der Schwäche agieren", glaubt Alexander Krüger, Chefvolkswirt vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe.
Gerade jetzt bräuchte es ein starkes, geeintes Deutschland im Inneren, dass die grundlegenden Wirtschaftsreformen anpackt, mit einem starken Kanzler an der Spitze, der Deutschland und Europa gegenüber Donald Trumps Zollkapriolen und anderen geopolitischen Herausforderungen vertritt. Stattdessen tritt die Bundesrepublik weiter auf der Stelle und verwickelt sich selbst weiter im Klein-Klein der letzten Jahre. So heißt es leider: Neue wirtschaftliche Stärke weiterhin verzweifelt gesucht.
Quelle: mit Material von Reuters